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Warum erlaubt der Gesetzgeber Gottesdienste, Theatervorstellungen und Konzerte aber nicht?

„In der Öffentlichkeit wurde in den vergangenen Tagen oft gefragt, warum Gottesdienste weiterhin möglich sind, wo doch Theater oder andere Kultureinrichtungen schließen müssen. Wie antworten wir als Kirche hierauf?

Man kann es so erklären: Oberstes Ziel der neuen Einschränkungen ist es, Kontakte soweit wie möglich einzuschränken, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Aus infektiologischer Sicht am sinnvollsten wäre der totale Lockdown inklusive Ausgangssperre. In einer Güterabwägung hat die Regierung sich aber dazu entschieden, bestimmte Bereiche (Schulen, Kitas, Geschäfte, Wirtschaftsbetriebe) weiterhin offen zu halten. Das bedeutet, dass die Einschränkungen in allen anderen Bereichen noch einmal strenger sein müssen, um das angestrebte Ziel zu erreichen.

Dennoch gibt Bereiche, die durch die Grundrechte noch einmal besonders geschützt sind und in denen man daher ebenfalls auf ein völliges Verbot verzichtet hat. Das sind zum einen Versammlungen (bspw. Demonstrationen, Art. 8 GG) und zum anderen Gottesdienste (Art. 4 GG: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“) Dieses Grundrecht kann der Staat nicht einfach abschaffen. Ein Grundrecht auf Kultur (etwa: Der ungestörte Kulturgenuss wird gewährleistet.“) kennt das Grundgesetz dagegen nicht.
Wenn Gottesdienste stattfinden, ist das also kein Privileg der Kirchen, sondern ein Grundrecht jedes und jeder Einzelnen. Die Kirchenorganisation ist lediglich die Sachwalterin dieses Grundrechts, ihr gehört“ der Gottesdienst nicht. Die Gemeindeglieder haben vielmehr selbst einen Anspruch gegen ihre Kirche, ihnen die Ausübung dieses Grundrechtes zu ermöglichen (siehe zB Art. 10 Abs 1 und 2 Verfassung der Nordkirche).

Nichts zu tun hat diese staatliche Entscheidung dagegen

  • mit einer Privilegierung der Kirchen – diese sind in allen Bereichen außerhalb von Gottesdienst und Seelsorge denselben staatlichen Regelungen und Verboten unterworfen wie alle anderen Institutionen und Einrichtungen;
  • mit dem Kirchraum – eine Lesung, ein Konzert oder ein Theaterstück sind auch dort nicht möglich, da nicht grundrechtlich geschützt;
  • mit den Inhalten der Gottesdienste – der Staat ist weltanschaulich neutral;
  • mit den Hygienekonzepten der Kirchen oder der Theater – diese unterscheiden sich kaum.“

Quelle: Arbeitskreis christlicher Kirchen (ACK) Hamburg vom 2.11.2020, Thomas Kärst, Beauftragter der Nordkirche beim HH Senat

 

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